©2024 Henry Aurich
«November»
Dieser vorletzte Monat des Jahres wurde im altrömischen Kalender als der neunte (Lat. novem - neun) gezählt. „Winding", sein deutscher Name, wie auch der altgermanische Name „Nebelung" machen deutlich, daß es sich um den Nebel- oder Windmonat handelt. November tritt oft hart herein, s' braucht aber nicht viel dahinter zu sein. Regennasse Straßen mit spiegelnden Lichtreflexen, glitschiges Laub am Rande der Fahrbahn und auf dem Fußweg - Novemberwetter. Doch nicht ein jeder hat das Glück, lediglich auf dem Weg von und zur Arbeitsstelle den Unbilden spätherbstlichen Wetters zu begegnen. So kann auch der Bauer im November noch nicht davon sprechen, daß das Jahr für ihn „gelaufen'' sei. Möglicherweise hat schlechtes Wetter im Vormonat die abschließenden Ernte-, Bestell- und Pflegearbeiten verzögert, die es jetzt aufzuholen gilt: Wer im November die Felder nicht gestürzt, der wird im nächsten Jahr verkürzt. Obwohl im November spätherbstlich-schönes Wetter verständlicherweise mehr geschätzt wird als unfreundliches Regenwetter, ist der Regen um diese Zeit doch notwendig und wichtig. Sollte es gar noch ein Gewitterregen sein, der vom Himmel fällt, darf sich der Bauer die Hände reiben: Bringt November vieles Naß, gibt's auf Wiesen vieles Gras. Im November Wässerung ist der Wiesen Besserung. Wässert man im November die Wiesen nicht, gibt's wenig Heu. Wenn's im November donnern tut, wird das nächste Jahr wohl gut. Wenn der Donner im November grollt, ist das künft'ge Jahr den Fruchten hold. Mit gemischten Gefühlen sieht der Bauer ersten Frösten und erstem Schnee entgegen: 9 Später Donner bat die Kraft, daß er viel Getreide schafft. Wenn im November der Donner rollt, wird dem Getreide Lob gezollt. Regnet's viel im November und gefriert 's gleich drauf, so wird keine wohlfeile Zeit kommen. Wenn der November regnet und frostet, dies der Saat ihr Leben kostet. Novemberschnee tut der Saat nicht weh. Viel Schnee - viel Klee. Viel und langer Schnee, bringt viel Frucht und Klee. Zeigt November sieb im Schnee, bringt er reiche Frucht und Klee. Gibt's viel Schnee und bleibt er lange liegen, wir reiche Frucht und vielen Klee dann kriegen. Wenn die. Bäume den Schnee halten, werden sich im Frühjahr wenig Knospen entfalten. Ist das Erdreich beim ersten Schnee naß und offen, so deutet dies auf geringe Getreideernte. Mit unseren letzten Regeln sind wir schon etwas in den Winter, genauer gesagt in den Vorwinter, hineingeraten, denn noch zählt ja der November zum Herbst, und dies auch aus meteorologischer Sicht. So wollen wir auch nicht übersehen, daß ja nicht nur Regen, Schnee und Frost das Wetter dieses Monats bestimmen, daß ganz im Gegenteil dazu noch recht warme Tage und Wochen uns über den wahren Stand der . Jahreszeit hinwegtäuschen können, wenn das natürlich auch nicht sehr - häufig geschieht. ^ Eine solche Täuschung wird perfekt, wenn im November die Bäume ' zu blühen beginnen, die Täuschung sich also nicht nur auf den Menschen, sondern auch auf die Vegetation, auf die Natur selbst erstreckt. Es ist nicht jeder Generation beschieden, eine solch seltene Beobachtung zu machen. Um so mehr nimmt es wunder, daß immerhin vier Bauernregeln darauf Bezug nehmen und diesen Widerspruch der Natur deuten: Baumblüte spät im Jahr, nie ein gutes Zeichen war. Fällt's Buchenlaub früh und schnell, wird der Winter streng und bell. Fällt im November das Laub sehr früh zur Erden, so soll ein/einer Sommer werden. Ergänzend dazu: Tummeln sieb noch die Haselmäuse, ist es noch weit mit des Winters Eise. Eine Regel mit variablem Charakter, die zwar im allgemeinen dem November, nicht selten aber auch schon dem Oktober und hin und . wieder auch erst dem Dezember zugeordnet sein kann, ist die Regel über die Anzahl der „Winter" im Winter. Aber das bedarf wohl einer etwas näheren Erläuterung. Im Verlauf des Spätherbstes, des eigentlichen Winters und auch noch bis hinein in den Frühling ist der Witterungsverlauf im allgemeinen so, daß mehrmals Schnee fällt und dann durch einsetzendes Tauwetter wieder vergeht. Eine solche Schneeperiode ist gemeint, wenn oben von „Winter" gesprochen wurde. Wie oft im Verlauf der genannten Zeitspanne mit solchen Perioden zu rechnen ist, dazu liefern uns die folgenden Regeln die Berechnungsgrundlage: Wieviel Tage vom ersten Schnee bis zum Neumondfallen, so oft soll im Winter der Schnee auch ballen. Wieviel Tage vom ersten Schnee bis zum Neumonde fallen, so oft soll im Winter der Schnee auftauen. Man ist sehr geneigt, beim Vernehmen dieser Regel ungläubig den Kopf zu schütteln und eventuell schon vorhandene Vorbehalte gegenüber den Bauernregeln noch um einen besonders handgreiflichen zu vermehren, zumal ja auch rein rechnerisch die Zahl der „Winter" faktisch zwischen eins und neunundzwanzig liegen kann. Es hat auch wenig Sinn, sich rein theoretisch darüber zu streiten, denn dafür gibt es keine ^Theorie. Lassen wir einfach die Tatsachen sprechen und kontrollieren wir einmal selbst. Die Mondphasen sind in jedem Kalender verzeichnet, und das Auszählen der Tage bis zum nächsten Neumond ist auch nur eine kleine Mühe. Ebenso unglaubhaft wie die eben zitierte Regel erscheint auch die Aussage der folgenden: Kleiner Schnee - große Wasser, großer Schnee - kleine Wasser. Auch hier kann nur empfohlen werden, selbst zu überprüfen. Schauen wir weiter, was es zum Novemberwetter noch zu berichten gibt: Wenn im November die Wasser steigen, werden sie sich oft im Winter zeigen. Wenn im November die Gewässer steigen, so hat man dieses alle folgenden Monate und außerdem einen nassen Sommer zu erwarten. Ist der November kalt und klar, ist trüb und mild der Januar. Friert im November zeitig das Wasser,  dann ist's im Januar um so nasser. Ein heller, kalter, trockener November gibt Regen und müde Luft im Januar. Wie der November so der folgende Mai. Wenn auch die Lostage des November nicht sehr zahlreich sind, so halten sie doch vielfaltige Aussagen bereit. Schon der l. November, das Fest „Allerheiligen" läßt uns aufhorchen: Am Allerheiligen-Fest ein später Sommer sich blicken läßt.chere, aber eben nur eine von An Allerheiligen Sonnenschein, tritt der Nachsommer ein. Ist's zu Allerheiligen rein,  tritt Altweibersommer ein. Allerheiligen bringt Sommer für alte Weiber, "' das ist des Sommers letzter Vertreiber. Scheint die Sonn' auf Tal und Hang: Altweibersommer währt nicht lang. Der Altweibersommer dauert drei Stunden, drei Tage oder drei Wochen. Der Altweibersommer ist zwar die erfreulichere, aber eben nur eine von drei Möglichkeiten für den Monatsanfang. Es kann auch anders kommen: Bringt Allerheiligen einen Winter, bringt Martini einen Sommer. Wenn's an Allerheiligen feucht ist, hofft man viel Schnee. Allerheiligen feucht, wird der Schnee nicht leicht. Ganz konkrete Prognosen für den bevorstehenden Winter sollen nach folgenden Regeln möglich sein: Allerheiligen klar und helle, sitzt der Winter auf der Schwelle. Allerheiligen trägt eigen den Winter zu allen Zweigen. Alle Heiligen sehen sich nach dem Winter um. Wenn`s um Allerheiligen schneit, legt dein Pelz bereit. Fällt an Allerheiligen Reif, ist die Weihnacht weiß und steif. Fällt an Allerheiligen-Meß´sind wir des Winters gewiß; wenn er dann es nur bis Martinstag (11.November). Steht Allerheiligen in der Pudelmütze, so ist dem heiligen Martin der Pelz nichts nütze. Bringt Allerheiligen einen Winter, bringt Martini einen Sommer. Wenn`s an Allerheiligen feucht ist, hofft man viel Schnee. Ganz konkrete Prognosen für den bevorstehenden Winter sollen nach folgenden Regeln möglich sein: Ob der Winter kalt oder -warm soll sein, so gehe am Allerheiligentag so fein in das Gehölz zu einer Buchen; allda magst du folgendes Zeichen suchen: Hau einen Span davon, und ist er trucken, so wird ein kalter Winter heranrücken; ist aber naß der abgehau 'ne Span, so kommt ein warmer Winter auf den Plan. Ist an Allerheil'gen der Buchenspan trocken, wir im Winter gern hinter dem Ofen hocken; ist der Span aber naß und nicht leicht,  so wird der Winter statt trocken recht feucht. Fließt Birkensaß um Allerheiligen, wartet der Winter noch ein Weilchen. In welcher fortgeschrittenen Jahreszeit wir uns inzwischen schon befinden, wird uns mit den ersten Sprüchen zum St. Martinstag (11. November.) vor Augen gerührt. Daran ändert auch der „Martinssommer" nicht viel, der uns für den Fall eines „Allerheiligen-Winters" versprochen wurde: St. Martin kommt nach alten Sitten gern auf dem Schimmel (weiß) angeritten. St. Martin weiß nichts mehr von heiß. Am Martinstag nach Feuer, weil die Kälte nicht geheuer. St. Martin setzt sich schon mit Dank auf die warme Ofenbank. Der Martinssommer währt drei Tage und ein bißchen. Gibt's vor St. Martin starken Frost, so wird der Winter gelind. Ist's -um Martini kalt, der Winter nicht die Fäuste ballt. Ist Martini trocken und kalt, im Winter die Kälte nie lange anhalt'. Kommt St. Martin mit Winterkält', ist's gut, wenn bald ein Schnee einfällt; man hat ihn lieber dürr als naß, so hält sich's auch mit Andreas (30. November). Wenn's auf Martini regnen tut das ist den. Saaten niemals gut. Wenn 's um Martini regnet und bald darauf Frost eintritt, so bringt's der Saat Schaden. Martinstag trüb, macht den Winter lind und lieb; ist er hell, macht er das Wasser zur Schell'. Wolken am Martinitag, der Winter unbeständig werden mag Wenn um Martini Nebel sind, so wird der Winter meist gelind; bat Martini aber weißen Bart, so wird der Winter lang und hart. Wenn der Martinstag trüb, ist der Winter mild und lieb; schneit's zu St. Kathrin (25. November), ist alle Freud'dahin. Ist's um Martini trüb, wird der Winter auch nicht lieb. Ist's an Martini hell, kommt der Winter schnell. Bringt St. Martin Sonnenschein, tritt ein kalter Winter ein. Bringt uns Martin Sonnenschein, wird lang und hart der Winter sein. Fällt das Laub nicht vor Martini ab, so bat man. einen kalten Winter zu erwarten. Auf einer Übernahme von Gebräuchen des altgermanischen Herbstopfers beruht die ehemals verbreitete Sitte, den Martinstag mit einer gebratenen Gans, der Martinsgans, zu feiern. Daher auch die Verbindung von Martinstag und Gans in den folgenden Sprüchen: Wenn die Gänse um Martini auf dem Eise steh'n, so müssen sie um Weihnachten im Kote geh'n. Wenn die Martinsgans auf dem Eise steht, das Christkindlein im Schmutze geht. Gleitet die Gans zu Martini auf dem Eise aus, so kann sie sich zu Weihnachten ins Wasser tauchen. Ist das Brustbein der Martinsgans weiß, so wird der Winter streng. Ist das Brustbein der Martinsgans dunkel, soll es mehr Schnee als Kälte, ist es weiß, mehr Kälte als Schnee geben. An St. Elisabeth (19. November), dem ersten der noch verbleibende Stichtage, werden nicht viele Worte gemacht. Dort heißt es kurz und schlicht: St. Elisabeth sagt's an, was der Winter für ein Mann. Wie St. Elisabeth, so der Winter. Zum Gedächtnis „Maria-Opferung" (21. November) erfahren wir: Maria Opferung klar und hell, macht den Winter streng ohn' Fehl. Ist es an Maria Opferung neblig, trüb und naß, so wird der Winter unbeständig; ist es aber klar und hell, so kommt ein starker Winter. Wenn an Maria Opferung so schönes Wetter ist, daß die Bienen fliegen, so ist nächstes Jahr ein Honigjahr. Bedeutend vielwortiger läßt sich dann St. Katharina vernehmen (25. November), die wir schon als mögliche Gegenspielerin von St. Martin kennengelernt hatten. Sie bemüht sich, nicht nur ihm Paroli zu bieten, sondern auch noch St. Elisabeth auf den zweiten Platz zu verweisen; denn von ihr wird behauptet: Kathreine hält den Winter in 'nem Schreine. Schafft Katharina vor Frost sich Schutz, watet man draußen lange im Schmutz. Katharinenwinter - Plackwinter. Wie St. Kathrein, so wird das Neujahr sein. So wie der Tag ist zu Kathrein, so wird der nächste Jänner sein. Wie's um Kathrein, trüb oder rein, wird auch der nächste Hornung sein. Ist's wolkig am Katharinentag, gedeihen die Bienen gut danach. Uff Kattern kommt der Schnee geflattern, uff Andris (30. November) kommt er gewiß. Wenn kein Schnee auf Katharina ist, auf St. Andreas kommt er gewiß. Abschließend wenden wir uns St. Andreas (30. November) zu: So schau' in der Andreasnacht was für Gesicht das Wetter macht: So, wie es ausschaut, glaub's fürwahr, bringt's gutes oder schlechtes Jahr. Der Andräs-Schnee bleibt hundert Tage liegen. Andreasschnee tut den Saaten weh. Wirft herab Andreas Schnee, tut's dem Korn und Weizen weh. Andreasschnee ist noch ein bess' rer Trost, als viel Regen und Blachfrost. St. Andreas hell und klar, bringet uns ein gutes Jahr. Man fülle am Vorabend des Andreastages ein Glas randvoll mit Wasser und lasse es über Nacht stehen. Ist das Wasser am Morgen über den Rand getreten, so ist ein feuchtes, andernfalls ein trockenes Jahr zu erwarten. Inzwischen hat uns der Schein der Kerzen am l. Adventsonntag auf die bevorstehende hohe Zeit des Jahres eingestimmt. Hoffen wir dabei auf Erfüllung dessen, womit uns unsere letzte Novemberregel in den Dezember geleitet: Wenn der Advent viel Duft ansend 't, er viel Frucht dem Bauer spend 't.
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