Stellt euch vor, ihr hättet Schwingen wie ein Vogel und schwebtet über die blauen Wogen der Adria der Küste Italiens zu.
Und denkt, euch, ihr hörtet von fernher ein melodisches Klingen, das sich beim Näherkommen als das Geläut von vielen
Glocken herausstellt. Ihr fliegt dem Schalle nach und seht vor euch aus dem Dunst, der über dem Meer liegt, eine
Märchenstadt auftauchen, deren viele hundert Türme mit Gold- und silberglänzenden Dächern dieses Geläut aussenden.
Auf Inseln in einer geschützten Lagune ist diese Stadt erbaut, von Kanälen durch schnitten, durch zahllose Brücken wie mit
Klammern zusammen gehalten. Ja, es ist kein Zweifel möglich: Wir befinden uns über Venedig, der Beherrscherin des
östlichen Mittelmeeres und der Handelswege nach dem Orient, dem reichsten der unabhängigen Stadtstaaten neben Genua
und Pisa. Das war einmal, wollt mir sagen. Aber, wenn ihr euch das alles richtig vorgestellt habt. dann seid ihr soeben
zusammen mit Dig und Dag in ein längst vergangenes Jahrhundert geflogen. Genau gesagt In das jähr 1284. Und was das
Glockengeläut anbetrifft, so feiert man heute die Wahl eines neuen Staatsoberhauptes, des Dogen. Venedig äst zwar dem
Namen nach eine Republik, aber regiert wird es von einigen wenigen reichen Familien. Sie haben erbliche Sitze im Großen
Rat» In den ursprünglich Vertreter des ganzen Volkes von Venedig gewählt werden sollten und wachen darüber, daß der
Doge nicht aus der Reihe tanzt und sich mit dem Volke verbündet. Unter solcher Aufsicht hat der Doge fast nichts zu sagen
und führt nur das aus was ihm die Kaufherren vorschreiben. Der Regierungssitz des Dogen ist ein riesiger und prächtiger
Palast in der Nähe der Einfahrt zum berühmten Hauptkanal, dem Canale Grande. Der Platz, an dessen Südostseite der
Palast liegt, ist der Markusplatz, auf dem sich ganz Venedig zu treffen scheint, um über die politische Lage, den Handel oder
über die alltäglichen Begebenheiten zu reden. So, und nun besuchen wir den Dogen.