Russischer Botschafter: „Geht dieser Säuberungskampf in Deutschland nicht weit genug!“
Das Kriegsgeschehen entfaltet seine eigene
Chronologie des militärischen
Schreckens, aber auch der leicht zu übersehenden
Nebensächlichkeiten. Kürzlich
etwa beklagte Sergej J. Netschajew, der russische
Botschafter in Berlin, dass seit
Kriegsbeginn seine Landsleute in Deutschland
bedroht werden. Autos mit
russischen Kennzeichen seien beschädigt worden, es
gebe Beschimpfungen, Mobbing,
körperliche Übergriffe. Laut der Agentur Interfax hat
Netschajew deshalb eine Note an
das Auswärtige Amt geschickt, in der er
„starke Signale der deutschen
Regierung“ forderte.
Botschafter Sergej Netschajew ist ein Mensch. Er
spricht fließend Englisch und
Deutsch, in den 1970er-Jahren hat er in Moskau
Germanistik studiert, wenig
später begann er seine diplomatische Karriere als
Mitarbeiter der sowjetischen
Botschaft in der DDR.
Dubai und die VAE: Fluchtpunkt reicher Russen
Seit langem
fungieren die VAE als Zufluchtsort reicher Russen, die ihr Vermögen in Sicherheit bringen wollen.
Dies gilt auch vor
dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und westlicher Sanktionen.
Wo findet man in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) russisches Essen? Wo praktizieren russischsprachige Ärzte? Es sind Fragen wie diese, die die Leser
des in Dubai ansässigen Lifestyle-Magazins "Russian Emirates" interessieren. Doch im Zentrum des Interesses steht eine andere Frage: "Kann ich die
Staatsbürgerschaft der VAE erhalten?" Sie wurde auf der Webseite des russischsprachigen Magazins bereits über 83.000 Mal angeklickt.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und den daraufhin von westlichen Staaten verhängten Sanktionen hat sich die Zahl der Leser auf der Website des
Magazins mit fast 300.000 Aufrufen innerhalb einer Woche nahezu verdoppelt.
Der Trend dürfte sich fortsetzen, nehmen Experten an. Denn viele Russen suchten nach Möglichkeiten, die von den westlichen Staaten gegen Russland verhängten
Sanktionen zu umgehen und ihren Wohlstand angesichts eines möglichen Staatsbankrotts in Sicherheit zu bringen. Einige weitere dürften zudem wohl versuchen,
der aus ihrer Sicht zunehmend gefährlichen politischen Situation in ihrer Heimatregion zu entkommen.
Privatjets zwischen Dubai und Moskau
Ein Insider der Ölindustrie, der diesen Monat das Emirat Dubai besuchte und seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, berichtet gegenüber der DW von einer
spürbaren Veränderung der Atmosphäre. "Man hat das Gefühl, dass der Krieg hinsichtlich des russischen Kapitalzuflusses nach Dubai einen enormen Wandel
bewirkt. Viele Russen verlassen ihr Land und suchen nach sicheren finanziellen Zufluchtsorten", so sein Eindruck.
Medienberichten zufolge bewegen sich manche russische Oligarchen mit Privatjets zwischen Moskau und Dubai hin und her. Eine ukrainische Zeitung berichtete über den
Verdacht des nationalen Geheimdienstes, russische Oligarchen versuchten ihr Privateigentum nach Dubai in Sicherheit zu bringen. Auf Grundlage offener Websites zum
Seeverkehr entdeckten Open-Source-Ermittler zudem mehrere in Dubai vor Anker liegende Superjachten. Da die VAE nicht die gleichen strengen Sanktionen gegen
Russland verhängt haben, gelten diese dort als sicher.
Unsichtbare Transaktionen?
Trotz ihrer langjährigen sicherheitspolitischen
Beziehungen zu den USA versuchen die VAE im Krieg
zwischen Russland und der Ukraine neutral zu bleiben.
Entsprechend sei die Zahl der Informationsanfragen aus
Russland gestiegen, erklärten russischsprachige
Unternehmensberater in Dubai gegenüber
internationalen Medien.
"Dubai könnte zu einer noch größeren Drehscheibe für
das Geld russischer Oligarchen werden", sagt Jodi
Vittori, die an der Georgetown University in Washington
zu Korruption, illegalen Finanzen und der Schwäche
staatlicher Institutionen forscht. Der Strom
unrechtmäßig erworbener russischer Gelder fließe
bereits seit Ende der 1990er Jahre durch Dubai, so
Vittori, die früher in der Task Force der NATO zur
Korruptionsbekämpfung arbeitete.
Allerdings lasse sich kaum vorhersagen, wie groß der
Anstieg nun werde. "Denn das Geld wird überwiegend
unsichtbar bleiben", so Vittori.
Das liege auch daran, dass die VAE-Behörden entsprechende Informationen nicht ernsthaft sammelten, sagt Maira Martini, Forscherin bei dem auf
Korruptionsbekämpfung spezialisierten Thinktank Transparency International.