Das Beziehen der Ausgangslage für den Angriff
In der Nacht zum 14. April 1945 löste das Korps mit Kräften eines Schützenbataillons von jeder Schützendivision der ersten Staffel die Einheiten der 280.
Schützendivision des 27. Schützenkorps der 13. Armee in dem für das Korps geplanten Angriffsstreifen ab. Gleichzeitig begannen die Pionier-einheiten der
Divisionen, ihre Aufgaben zur pioniermäßigen Sicherstellung des Angriffs zu erfüllen. In der Nacht zum 15. April bezogen die Hauptkräfte des Korps die
Ausgangslage für den Angriff. Im Verlauf des 15. April erfolgte im geplanten Angriffsstreifen die Aufklärung der Verteidigung des Gegners und des
Geländes.
Der Verlauf des Angriffs
In der Nacht zum 15. April führten die Aufklärungseinheiten der 95. und .. 13. Gardeschützendivision in Stärke von je einer verstärkten Schützenkompanie
entsprechend der Anordnung des Oberbefehlshabers der Armee ,eine gewaltsame Aufklärung durch, um das Feuersystem der gegnerischen Verteidigung
aufzuklären und Gefangene einzubringen. Nachdem die 2. Kompanie des Gardeschützenregiments 290 (95. Gardeschützendivision) "die Neiße vom
Gegner unbemerkt überwunden hatte, drang sie in den ersten Graben der gegnerischen Verteidigung südlich Pusack ein und machte einen Gefangenen.
Im Ergebnis des Gefechts mit dem starken Widerstand leistenden Gegner konnte sich nur ein Zug auf dem Westufer festsetzen, der Rest der Kompanie
mußte auf das Ostufer zurückgehen. Während der gewaltsamen Aufklärung wurden weitere MG-Nester des Gegners und ein durchgehendes Minenfeld vor
der gegnerischen HKL festgestellt.
Der Versuch der Aufklärungseinheit der 13. Gardeschützendivision, in dieser Nacht die Neiße zu überwinden, wurde vom Gegner erkannt und blieb
erfolglos.
In der Nacht zum 16. April führten die Divisionen der ersten Staffel nochmals eine gewaltsame Aufklärung durch, die außer der gestellten
Aufklärungsaufgabe das Ziel hatte, den ersten Graben der gegnerischen Stellung einzunehmen und eine erfolgreiche Überwindung der Neiße durch die
Hauptkräfte zu gewährleisten. / Das 1. Schützenbataillon des Gardeschützenregiments 290 (95. Gardeschützendivision) überwand unter Deckung eines
Schützenzuges, der sich auf dem Westufer des Flusses befand, die Neiße auf Pionierholzbooten, griff den Gegner an, nahm nach halbstündigem Kampf
den ersten Graben des Gegners ein und setzte sich in diesem fest. Eine Schützenkompanie der 13. Gardeschützendivision überwand diesmal den Fluß
erfolgreich, überwand die Minenfelder und Sperren, drang in den ersten. gegnerischen Graben ein und richtete sich in diesem zur Verteidigung ein. Durch
die gewaltsame Aufklärung in der Nacht zum 15. und vom 15. zum 16. April wurden das Feuersystem des Gegners und seine Gruppierung aufgeklärt;
seine Minen- und Pioniersperren wurden' zerstört. Diese Aufklärungsangaben waren für die eingesetzte Artillerie besonders wichtig.
Durch das Eindringen der Einheiten der ersten Staffel in den ersten Graben des Gegners, war es in der Periode der Artillerievorbereitung möglich,
Übersetzstellen zu schaffen.
Um 06.15 Uhr wurde auf das Signal mit einer Salve aus Raketenwerfern die ,Artillerie- und Luftwaffenvorbereitung im Angriffsstreifen des Korps eröffnet.
Gedeckt durch Artilleriefeuer, brachten die Pioniereinheiten die Übersetzmittel zum Einsatz und errichteten die Sturmstege.
Um 06.55 Uhr wurde nach einer Artillerie- und Luftwaffenvorbereitung von 40 Minuten das Artilleriefeuer in die Tiefe verlegt und das Gelände vernebelt.
Das Vernebeln leitete der Korpskommandeur von seiner B-Stelle aus. Die Kommandeure der Divisionen und Regimenter waren berechtigt, das Vernebeln
in eigener Verantwortung abzubrechen. Die Wetterlage (Wind aus ostwärtiger und südostwärtiger Richtung, Windgeschwindigkeit 0,5--1 rn/sec, schwacher
Bodennebel, Temperatur plus 2 °C) begünstigte den Einsatz von Nebelmitteln. Die Nebeldichte gewährleistete die Erfüllung der " gestellten Aufgabe. Die
Dauer der Vernebelung betrug: im Angriffsstreifen der 13. Gardeschützendivision - 95 Minuten, im Streifen der 95. Gardeschützendivision - 75 Minuten.
Neben dem positiven Ergebnis des Vernebelns, das darin bestand, die gewaltsame Überwindung der Neiße und die Kampfhandlungen der Truppen auf
dem gegenüberliegenden Ufer zu sichern, ist es notwendig, auch auf die Mängel hinzuweisen, die wegen der übermäßigen Nebelkonzentrierung an
einzelnen Abschnitten auftraten. Im Angriffsstreifen der 13. Gardeschützendivision, in dem die Nebelkonzentrierung besonders stark war, wurden die
Feuerführung der Geschütze des direkten Richtens sowie die Beobachtung beträchtlich erschwert.
Gedeckt durch einen Nebelvorhang, begannen die vorderen Einheiten der ersten Staffeln der Schützenregimenter, die Neiße über Sturmstege und mit
behelfsmäßigen Übersetzmitteln gewaltsam zu überwinden.
Im Anschluß an die Infanterie setzten die gesamte Begleitartillerie und die Granatwerfer über. Ein Teil der Panzer, die den Schützenbataillonen zugeteilt.
worden waren,_ überwand den Fluß durch festgelegte Furten.
Nachdem die vorderen Einheiten die Brückenköpfe gebildet und erweitert hatten, begannen die Pioniereinheiten mit dem Bau der Brücken, über die das
übersetzen der ersten Staffeln der Hauptkräfte der Schützendivisionen und der Verstärkungsmittel erfolgte. Gegen Abschluß der Artillerievorbereitung
wurden im Abschnitt des Korps und der 58. Gardeschützendivision (linker Nachbar) 140 Boote und drei Fähren eingesetzt, 14 Sturmstege, drei Brücken mit
einer Tragfähigkeit von 6 t, eine Brocke mit einer Tragfähigkeit von 9 t und eine Brocke mit einer Tragfähigkeit von 30 t gebaut. Nach drei Stunden waren in
diesem Abschnitt mit Kräften und Mitteln der Armee zwei Brücken mit einer Tragfähigkeit von 9 t, vier Brücken mit einer Tragfähigkeit von 30 t und eine
Brücke mit einer Tragfähigkeit von 60 t gebaut worden Das übersetzen der ersten Staffel der Hauptkräfte der Schützendivisionen wurde innerhalb von einer
Stunde abgeschlossen. In dieser Zeit wurde die Artillerievorbereitung nicht unterbrochen.
Um 08.40 Uhr gingen die ersten Staffeln der Schützendivisionen, nachdem sie die Neiße tiberwunden hatten, unter dem Schutz massierten Artilleriefeuers
und mit Unterstützung von Kräften des 1. Gardeschlachtfliegerkorps das im Angriffsstreifen der Hauptkräfte der Armee eingesetzt worden war zum
Sturmangriff über.
Der Gegner leistete mit den Einheiten des Volks-Grenadierregiments 1086 de 545. Volks-Grenadierdivision und seinen Verstärkungsmitteln den
angreifenden Truppenteilen des Korps hartnäckigen Widerstand und ging wiederholt in Stärke eines Infanteriebataillons zu Gegenangriffen über. Nachdem
der Widerstand des Gegners gebrochen und seine Sperren überwunden worden waren, nahmen die Truppen des Korps um 11.00 Uhr Pusack und Köbel:
ein und stießen 3 bis 4 km in die Tiefe der gegnerischen Verteidigung VOI Die Truppenteile des Korps überwanden somit bis 11.00 Uhr die Neiße und
besetzten die erste und zweite Stellung des gegnerischen Hauptverteidigungstreifens. Das erfolgreiche überwinden des Flusses und die Abwehr der
gegnerischen Gegenangriffe wurden durch die wirksame Unterstützung de Begleitartillerie und der Granatwerfer sowie der Panzer begünstigt. Gegen
14.00 Uhr hatten die Verbände und Truppenteile des Korps im wesentliche den Hauptverteidigungsstreifen des Gegners durchbrochen und setzten de
Angriff .auf den zweiten Verteidigungsstreifen fort.
Beim Durchbruch des gegnerischen Hauptverteidigungsstreifens stießen die Truppenteile der 95. Gardeschützendivision am erfolgreichsten vor. Das ist
daraus zu erklären, daß im Angriffsstreifen dieser Division zwar ein dichtes Waldmassiv, aber wenige Ortschaften vorhanden waren, die vom Gegner als
Stützpunkte ausgenutzt werden konnten. Die 13. Gardeschützendivision dagegen mußte beim Durchbruch des Hauptverteidigungsstreifens sieben
,Ortschaften einnehmen. Dadurch wurde ihr Vorgehen bedeutend gehemmt. Beim Kampf um den zweiten Verteidigungsstreifen blieben infolge des
Mangels an Straßen im Korpsstreifen, besonders im Streifen der 95. Division (dichter Wald und Sandboden), die den Angriff begleitende Artillerie, Panzer
und SFL hinter den Gefechtsordnungen der Infanterie zurück. Gegen 18.00 Uhr stießen die Verbände des Korps zum Westrand des Waldes 0,7 bis 1,5 km
ostwärts Tschernitz vor. In diesem Abschnitt .leistete der Gegner organisierten Widerstand mit Maschinengewehren, Flak, Panzern, Selbstfahrlafetten
sowie mit Geschützen im direkten Richten.
Die 13. Gardeschützendivision, die die Herrmanns-Mühle und Hirten-Mühle (auf dem Schema 3 nicht enthalten) eingenommen hatte, stieß zum
Südostrand von Tschernitz und zum Nordostrand von Klein-Düben vor. Von dort erhielt sie starkes MG-Feuer, Feuer von Wanderpanzern und
Selbstfahrlafetten und wurde dadurch gezwungen, zur Verteidigung überzugehen.
Die 97. Gardeschützendivision - zweite Staffel des Korps - wurde, nachdem die erste Staffel des Korps Zschorno eingenommen hatte, über die Neiße
übergesetzt. Entsprechend dem Befehl des Korpskommandeurs erreichte sie gegen Tagesende an der linken Flanke des Korps den Wald westlich Jämlitz
und bereitete sich vor, am Morgen des 17. April aus der linken Flanke der 13. Gardeschützendivision heraus anzugreifen.
Die Artillerie hatte am 16. April gegen 20.00 Uhr Stellungswechsel durchgeführt und bezog Stellungen in den Räumen: Groß-Särchen, Zschorno, Köbeln.
Die Regiments- und Divisionsartillerie befand sich in den Gefechtsordnungen der Infanterie.
Rechts hatte die 350. Schützendivision des 27. Schützenkorps (13. Armee) die Verteidigung des Gegners durchbrochen und das ausgedehnte Waldmassiv
überwunden. Sie stieß gegen Tagesende bis zum Abschnitt Westrand DöbernNordrand Eichwege vor und benutzte dazu die Straße Döbern-Tschernitz.
Links erreichte die 58. Gardeschützendivision des 34. Gardeschützenkorps im engen Zusammenwirken mit der 13. Gardeschützendivision gegen
Tagesende den Abschnitt Ostrand des Waldes 1600 m ostwärts Klein-Düben und stieß weiter in südostwärtiger Richtung vor.
So überwand das Korps gegen Tagesende die Neiße, durchbrach den gegnerischen Hauptverteidigungsstreifen, drang 8 km in die Tiefe der Verteidigung
des Gegners ein und erreichte den zweiten Verteidigungsstreifen. .Im Verlaufe des Gefechtstages vernichteten die Truppenteile des Korps 380 Soldaten
und Offiziere des Gegners, zwei Panzer, 16 Maschinengewehre, 9 Geschütze, 6 Granatwerfer und brachten 90 Gefangene ein.
Die für den ersten Tag gestellte Aufgabe bestand darin, den ersten und zweiten Verteidigungsstreifen des Gegners zu durchbrechen und zur Linie Reuthen-
Lieskau-Schleife vorzustoßen. Diese Aufgabe wurde vom Korps nicht erfüllt. Der Gegner, der seine operativen Reserven (1. Panzerjägerbrigade und 1.
mot. Brigade der "Führerbegleitdivision") heranzog, war bemüht, den weiteren Vorstoß unserer Truppen im Abschnitt TschernitzKlein-Düben aufzuhalten.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Aufgabe des ersten Tages nicht nur vom Korps, sondern Überhaupt von der gesamten
Stoßgruppierung der Front nicht erfüllt wurde. Wie auch das 32. Gardeschützenkorps, stießen die Truppen der 13. und 5. Gardearmee bis zum zweiten
Verteidigungsstreifen des Gegners vor und eröffneten den Kampf um die Einnahme dieses Streifens. Zum Durchbruch des zweiten gegnerischen
Verteidigungsstreifens mußte ein neuer gewaltiger Schlag durchgeführt werden.
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